Welche Mechanismen helfen den städtischen Verwaltungen, besser mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammenzuarbeiten? Vier URBACT-Städte teilen ihre Erfahrungen mit der Gestaltung und Verwaltung von sogenannten „Commons“.
Kreative Gruppen und Ehrenamtliche leisten seit langem einen großen Beitrag zur Belebung von Städten: Gruppen von engagierten Bürger:innen helfen dabei städtische Räume, Gebäude, Initiativen oder Dienstleistungen zu verbessern und sie der Nachbarschaft zur Verfügung zu stellen und so auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Dieses lokale Engagement und Wissen sollten die Kommune und die öffentliche Daseinsvorsorge aufgreifen und Engagierte mehr beteiligen. Neapel in Italien hat beispielsweise ein Modell eingeführt, das Bürger:innen ermöglicht, öffentliches Eigentum als „Gemeingüter“ zu verwalten. Dieser Ansatz wurde über das Civic eState-Netzwerk auf sechs weitere EU-Städte übertragen. Die gemeinschaftliche Verwaltung öffentlichen Eigentums, auch mit dem Begriff „Urban Commons“ umschrieben, stand auch im Mittelpunkt einer kürzlichen Session des URBACT City Festivals mit dem Titel „Governing commons, is it even possible?“. Die URBACT-Expertin Liat Rogel berichtet im Folgenden von der Veranstaltung.
Im Kontext von „Urban Commons“ wird die Stadt als „eine große Infrastruktur gesehen, die von Bürger:innen mit unterschiedlichem sozialen Hintergründen genutzt und optimiert wird“, erklärte Christian Iaione, URBACT Lead Expert für das Civic eState-Netzwerk. Hierzu gehören Orte und Räume genauso wie gebaute Infrastruktur oder Dienstleistungen. Soll eine attraktive Infrastruktur im Sinne der „Urban Commons“ entstehen, die Ideen und Engagement der Bürger:innen aufnimmt, muss die öffentliche Verwaltung zunächst die Vorteile erkennen, die sich aus einer solchen Zusammenarbeit ergeben können. Zweitens sollte sie mit neuen Instrumente und Maßnahmen die Bürger:innen ermächtigen und befähigen, ihre Ideen zu verwirklichen.
Außerdem müssen sich die beteiligten Akteure,
Amsterdam erkennt die „Commons“-Bewegung an
Eine der Möglichkeiten ein Gemeinschaftsgefühl zu wecken und in den Dialog zu treten war die Erstellung eines „Commons“-Katalogs. „In Amsterdam haben wir Künstler:innen gebeten, einen Katalog für die Etablierung von „Commons“ in Amsterdam zu erstellen. Er erzählt die Geschichte der Mitglieder der Amsterdamer „Commons“-Bewegung, des Wandels der Stadt und gibt konkrete Beispiele, die zeigen wie sich Bürger:innen aktiv und selbstorganisiert für Themen im Bereich der Wohnraum- und Lebensmittelversorgung oder der Energiewende einsetzen. Wir haben jetzt ein Netzwerk von „Commoners“, und wir suchen nach Möglichkeiten, uns für die Rechte der Nachbarschaft einzusetzen. Auf jeden Fall werden wir dadurch aber besser zusammenarbeiten." Nathalie van Loon sieht weiter die Zusammenarbeit der Verwaltung mit der „Commons“-Bewegung als einen Weg, die Bewegung unter allen Beteiligten anzuerkennen und langfristig nachhaltig zu gestalten. Anstatt einer Zusammenarbeit zwischen privaten Institutionen und der öffentlichen Hand (engl. Public Private Partnership, PPP) soll so die „Public Common Partnership“ (PCP) gestärkt werden, bei der die Gestaltung noch ergebnisoffener in die Hände der Gemeinschaft gelegt wird.
Neapel: eine Stadt, die gezwungen wurde, über den Tellerrand zu schauen
In Neapel haben sich in den letzten zehn Jahren umfangreiche
In Neapel basiert die Anerkennung von formellen und informellen Initiativen auf verfassungsmäßigen Kategorien. Die Initiative muss einen offenen Zugang ermöglichen und sozial integrativ und nicht diskriminierend sein. Wenn diese Grundsätze erfüllt sind, erkennt die Verwaltung die Zusammenarbeit an und stellt Dienstleistungen wie Wasser, Strom und andere kostengünstige Dienste zur Verfügung. Acht Räume in acht Stadtvierteln sind inzwischen auf diese Weise entstanden. Ob es sich um einen Park oder einen Strand handelt, diese Orte werden hauptsächlich für kulturelle Initiativen genutzt, die durch ihre Aktivitäten regionale Traditionen lebendig halten. Neben diesem „immateriellen“ Nutzen werden von den Engagierten auch soziale Infrastrukturen und Dienstleistungen geschaffen. Beispiele hierfür sind Räume für Jugendliche zum Lernen, Gemeinschaftsräume für ältere Menschen oder administrative Unterstützung für Migrant:innen. Diese Strukturen sind kostengünstig und auf Langfristigkeit angelegt.
Turin: Experimentieren mit und Testen von Instrumenten in verschiedenen Kontexten
Turin hat während des Co-City-Projekts des Urban Innovative Actions-Programms (UIA) zwei experimentelle Räume entwickelt und arbeitet nun mit drei anderen Städten im Netzwerk von UIA und URBACT „CO4CITIES“ zusammen, um die Instrumente der gemeinschaftlichen Verwaltung weiterzuentwickeln. „Wir werden im Netzwerk weiter an der Verwaltung der ‚Commons‘ durch Bürger:innen arbeiten und werden vom europäischen Austausch profitieren.“ Eine der an dem Projekt beteiligten Städte ist Danzig, wo die Frage des Vertrauens zwischen der Verwaltung und der Bürger:innen und die jeweiligen Rollen der Partner ebenfalls von großer Bedeutung ist.
Danzig: Vertrauen aufbauen und loslassen
Magdalena Skiba von der Stadt Danzig erläuterte, wie viel schwieriger es ist die Verwaltung dazu zu bringen die „Urban Commons“-Konzepte in ihrer Arbeit anzuwenden als die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen zu überzeugen. „Gruppen aktiver Bürger:innen sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, aber die Stadtverwaltung ist nicht unbedingt bereit, ‚die Kontrolle zu verlieren‘. Die Verwaltung muss lernen, ein ‚Möglichmacher‘ und kein ‚Bestimmer‘ zu werden". Dieses Thema wurde zuerst mit einem früheren URBACT-Projekt BoostInno vorangetrieben, bei dem die Stadt als „Vermittler“ (engl. broker) definiert wurde. Magdalena Skiba fügte hinzu: „Wir arbeiten seit etwa 15 Jahren mit zivilgesellschaftlichen Gruppen in Danzig zusammen. Wir haben uns über die Möglichkeit gefreut, durch das Projekt ein verlassenes Haus in der Umgebung als Gemeinschaftraum umzunutzen. Damit machten wir deutlich, dass wir uns für unsere Nachbarschaft einsetzen.“
Nachbarschaftshäuser werden von der Stadtverwaltung an
Die Antwort auf die Frage im Titel ist in der Tat nicht einfach. Eine Möglichkeit, sich ihr anzunähern, könnte ein Paradigmenwechsel sein. Wir müssen „Commons“ und deren Beitrag zum Gemeinwohl nicht als etwas betrachten, das es zu verwalten gilt, sondern eher als etwas, das es nicht zu behindern, zu ermöglich sowie mitzugestalten gilt. Vielleicht lautet die Hauptfrage wie wir die Etablierung von „Urban Commons“ unterstützen und ihre langfristige Nachhaltigkeit gewährleisten können.
Mehr Veröffentlichungen zum Thema
Während die Beteiligung von Interessengruppen in den Städten selbst im Mittelpunkt des URBACT-Ansatzes steht, haben sich die jüngsten URBACT-Netzwerke Civic eState und Co4Cities speziell auf das Co-Management städtischer „Commons“ konzentriert. Zu den URBACT-Expert:innen auf diesem Gebiet gehören: Christian Iaione, Direktor von LabGov; Levente Polyak, Lead Expert von CO4CITIES; und Mary Dellenbaugh-Losse, die kürzlich ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht hat.
Weitere URBACT-Artikel zu dem Thema finden Sie hier auf Englisch:
- Pooling urban commons: the Civic eState
- Scaling the commons: the experience of the European Commons Assembly
- Covid-19 emergency in Naples: the key role of self-managed spaces and urban commons
Aus dem Englischen von Lilian Krischer.