In der heutigen vernetzten Welt ist die Bereitstellung eines effektiven und attraktiven städtischen Mobilitätsangebots für alle der Schlüssel zu einer florierenden Stadt. Die verfügbaren Verkehrsmittel müssen zugänglich und flexibel sein, um den unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden, und gleichzeitig einen zusätzlichen Nutzen für die lokale Bevölkerung und Besucher:innen bieten. Die Vorteile können in vielerlei Form auftreten: niedrigere Kosten, höhere Effizienz oder gesundheitliche Vorteile - oder zumindest eine angenehmere Reise durch und in eine Stadt.
In diesem Artikel werden aus den 116 neu gekürten URBACT Good Practices 8 inspirierende Lösungen für städtische Mobilität vorgestellt. Im Jahr 2024 wurden europäische Städte und Regionen eingeladen ihre Lösungen für eine nachhaltige integrierte Stadtentwicklung im Rahmen eines offenen Calls einzureichen. Alle URBACT Good Practices wurden auf Basis einer Expertenbewertung nach bestimmten Kriterien ausgewählt: ihre Auswirkungen vor Ort, ihr Grad der relevanten partizipativen und integrierten Ansätze sowie das Potenzial der Übertragbarkeit auf andere europäische Städte.
Motivation zur Änderung der Verkehrsmittelwahl
Auch wenn Lösungen oftmals für alle zugänglich sind, ist die Mobilitätserfahrung nicht für alle Nutzer:innen gleich. Die Wahl der Verkehrsmittel hängt stark vom jeweiligen Zweck der Fahrt ab. Damit Städte passende Mobilitätslösungen anbieten können, ist es wichtig zu verstehen, welche gemeinsamen Bedürfnisse und Wünsche Menschen mit demselben Fahrzweck haben.
#1 – Saragossa (Spanien)
Das Projekt „STARS Zaragoza“ hat im Rahmen eines partizipativen Prozesses zur Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel 12 000 Grund- und Sekundarschüler:innen erreicht. Durch die Unterstützung eigenständiger Schulwege der Schüler:innen konnten die Stadtbehörden große Erfolge erzielen. Dazu gehören: (i) Schülergruppen, die unterstützt durch ein Lehrernetzwerk, die Nutzung von Fahrrädern fördern; (ii) die Einführung weiblicher Vorbilder für das Fahrradfahren; (iii) und die Gestaltung individueller Schulwege.
Die Auswirkungen des Projekts gehen über Saragossa hinaus. Dank einer Allianz zwischen lokaler, regionaler und staatlicher Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen ist das Projekt ein Leuchtturm für erfolgreiche Multi-Level-Governance.
#2 – Eurometropole Straßburg (Frankreich)
Radfahren ist nicht nur umweltfreundlich, sondern für die meisten Menschen auch erschwinglich. Auch in der Eurometropole Straßburg wird das Pendeln mit dem Fahrrad unterstützt, aber anders als in Saragossa liegt der Schwerpunkt auf den Berufstätigen. Der Wettbewerb „Au Boulot à Vélo“, sinngemäß „Mit dem Rad zur Arbeit“, wird in Zusammenarbeit mit einer lokalen Nichtregierungsorganisation durchgeführt. Die jährliche Kampagne im Juli wird in enger Zusammenarbeit mit lokalen Fahrradgemeinschaften und Unternehmen durchgeführt. Mit 17 000 Teilnehmenden an der letzten Aktion - mehr als die Hälfte waren Frauen - gewinnt die Aktion an Dynamik. Besonders bemerkenswert ist, dass mehr als 2 000 Teilnehmende davor noch nie mit dem Rad zur Arbeit gefahren sind. Das Projekt zeigt vielen, dass das Pendeln mit dem Fahrrad möglich und erwünscht ist.
#3 – Faenza (Italien)
Das Projekt „Bike to Work“ ist eine weitere Good Practice, die von der Gemeinde Faenza und der Region Emilia-Romagna kofinanziert wird. Hier werden Anreize geschaffen, wie die Erstattung von den mit dem Fahrrad zurückgelegten Strecken, Ranglisten und Belohnungssysteme - alles über eine spezielle App abgewickelt.
Bisher wurde eine Gesamtstrecke mit dem Rad zurückgelegt, die 15-mal um die Erde reicht! Die besten Teilnehmer:innen werden von der Stadtverwaltung bei einer öffentlichen Veranstaltung ausgezeichnet.
#4 – Hannut (Belgien)
„Ride and Buy“ ist eine spezielle App zur Förderung nachhaltiger städtischer Mobilität. Sie motiviert Schüler:innen, mit ihren Eltern mit dem Rad zur Schule zu fahren, und bietet Testmöglichkeiten sowie Rabatte für E-Bikes. Außerdem gibt es Gutscheine, die je nach zurückgelegter Fahrradstrecke in lokalen Geschäften eingelöst werden können.
Die Idee stammt von jungen Menschen vor Ort und wurde mit Unterstützung der Stadt- und Regionalbehörden erfolgreich umgesetzt.
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Was kann Ihre Stadt daraus lernen?
Um spezifische Bedürfnisse zu erfüllen, ist ein tiefes Verständnis der individuellen Motive und gewünschten Vorteile erforderlich. Bei diesen Maßnahmen war die Zusammenarbeit mit den relevanten Stakeholdern entscheidend, um Mobilitätslösungen in strategische Rahmenwerke zu integrieren und so zu stärken. Dadurch wurde sichergestellt, dass die Initiativen über politische Zyklen hinaus Bestand haben. Diese Ansätze haben bereits zu neuen Varianten geführt, bei denen lokale Unternehmen, Schulen und sogar benachbarte Gemeinden einbezogen wurden.
Mobilität auf Abruf im Ländlichen Raum
Die Bereitstellung herkömmlicher öffentlicher Verkehrsmittel kann für dünn besiedelte Gebiete eine Herausforderung sein. In vielen ländlichen Regionen Europas ist es schwierig weit verstreute Gemeinden mit Mobilitätslösungen und Ressourcen zu verbinden. Zwei der kürzlich ausgewählten Good Practices gehen dieses Problem an, in dem sie bedarfsorientierte Lösungen anbieten.
#5 – Viseu Dão Lafões (Portugal)
Ir e Vir ermöglicht es der Bevölkerung in 13 Gemeinden, Fahrten über eine kostenlose Telefonhotline zu buchen. Der Transport, der von Taxis durchgeführt wird, erfolgt nur auf Abruf zu vorher festgelegten Haltestellen und nach einem festen Fahrplan – aber nur, wenn zu diesem Zeitpunkt keine öffentliche Verkehrsanbindung verfügbar ist.
Dieser Service bietet eine erschwingliche Mobilitätslösung mit Fahrpreisen auf Busniveau und optimiert die Routen anhand der Reservierungen, die einen Tag vor der Fahrt erfolgen müssen.
#6 – Coimbra (Portugal)
SIT FLEXI bietet Bewohner:innen einen ähnlichen Service – auch hier wird der Transport von Taxis durchgeführt und ist nur per Reservierung vorab verfügbar. Hier wird auch die Interoperabilität mit anderen Mobilitätsdiensten berücksichtigt.
Die Routenplanung sowie die Gestaltung der Haltestellen und Fahrpläne erfolgen in enger Zusammenarbeit, wobei die Bedürfnisse und Wünsche der Einwohner:innen wie auch der beteiligten Gemeinden berücksichtigt werden.
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Was kann Ihre Stadt daraus lernen?
Die oben angeführten Ansätze zeigen, dass es für Städte und Gemeinden von Vorteil ist, besehende Taxinetze und Verkehrsdienste bei bedarfsorientierten Angeboten (auch On-Demand Angebote) zu nutzen. Den jeweiligen Behörden ist es gelungen, die Betriebskosten und die Umweltbelastung (im Vergleich zum herkömmlichen öffentlichen Verkehr) zu minimieren.
Vor allem sichern diese Lösungen die Anbindung an ein erweitertes Netzwerk zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Einfach ausgedrückt verbessern sie nicht nur die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt, sondern erleichtern auch den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Beschäftigung. Solche Ansätze haben sogar das Potenzial, Menschen zur Rückkehr zu bewegen, die dem Stadtleben den Rücken kehren wollen.
Bei der Einführung app-basierter Buchungssysteme ist es wichtig, weiterhin eine telefonische Buchungsoption anzubieten, damit auch Nutzer:innen mit geringerer digitaler Kompetenz davon profitieren können.
Kohärente und nachhaltige Mobilitätspläne
Die Umgestaltung, Anpassung und Aufrechterhaltung barrierefreier Mobilitätslösungen für alle ist eine große Herausforderung. Es ist nicht einfach, die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Menschen zu erfüllen, da dies oft auf logistische Probleme und Grenzen der bestehenden Infrastruktur stößt. Wenn Mobilitätslösungen nicht gut aufeinander abgestimmt sind, besteht die Gefahr, dass bestimmte Gruppen und Bedürfnisse übersehen werden oder nachhaltigere Optionen nicht genutzt werden können.
#7 – Brüssel (Belgien)
Mit dem Ziel die städtische Luftqualität zu verbessern, fördert die URBACT Good Practice cAIRgo Bike in Brüssel die Nutzung von Lastenfahrrädern. Die Maßnahmen umfassen Zuschüsse für den Kauf von Lastenrädern, gemeinsam Fahrradleihsysteme und spezielle Abstellmöglichkeiten.
Durch Schulungsprogramme für Familien und Berufstätige geht die Initiative über den reinen Infrastrukturausbau hinaus und sorgt für eine sichere und effiziente Nutzung. Zudem arbeitet sie mit lokalen NGOs und Privatunternehmen zusammen und fügt sich in die städtischen und regionalen politischen Strategien ein. Nachweislich trägt sie zur Reduzierung von Verkehrsstaus und Umweltverschmutzung bei.
#8 – Komotini (Griechenland)
Mit der Initiative „Barrierefreie Stadt für alle“ ist es der lokalen Verwaltung gelungen, den Begriff „Menschen mit Behinderungen“ neu zu definieren – weg von einer sozialen Gruppe, die „versorgt werden muss“, hin zu aktiven Partnern, die die Stadt mitgestalten.
Durch diese Initiativen, die von der Stadtverwaltung kofinanziert und von einer lokalen NGO geleitet werden, nehmen Menschen mit Behinderungen aktiv an Beiräten und Lenkungsausschüssen teil. Außerdem leiten und beaufsichtigen sie einige der Projekte. Zudem stellt die Stadt Infrastruktur bereit, die es Menschen mit Behinderungen ermöglicht, nach Komotini zu reisen, um ihre Rehabilitation abzuschließen. Die Bemühungen haben nicht nur die städtische Infrastruktur für alle Bürger:innen verbessert, sondern auch soziale Initiativen wie die Einrichtung eines Gemeinschaftszentrums, eines Übergangswohnheims und eines Aktivitätszentrums für und von Menschen mit Behinderungen hervorgebracht. Darüber hinaus gibt es nach der Schule Programme für Kinder mit geistigen Behinderungen.
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Was kann Ihre Stadt daraus lernen?
Beide Ansätze zeigen, wie kohärente Mobilitätskonzepte zum Erfolg führen können. Während Brüssel spezifische Vorteile von Lastenfahrrädern aufzeigt, bietet Komotini ein urbanes Erlebnis, das eine Gruppe anspricht und stärkt, die oft übersehen wird.
Ihre Ansätze können andere Städte und Gemeinden inspirieren, ähnliche Veränderungen in ihren eigenen Städten zu fordern und umzusetzen.
Von der Theorie in die Praxis: URBACT Good Practices vor Ort erleben
In diesem Artikel wurden acht wirksamen Ansätze zu nachhaltigen Mobilitätslösungen in europäischen Städten kurz angeschnitten. Für ein attraktives und nachhaltiges Mobilitätsangebot gibt es keine Patentlösung, die auf alle Gemeinden eins zu eins übertragen werden kann. Eine Stadt oder Gemeinde ist niemals ein unbeschriebenes Blatt – bestehende Infrastruktur, Kultur und Geschichte sollten bei der Planung von Mobilitätslösungen berücksichtigt werden. Dennoch sind Städte und Gemeinden auch dynamische Räume, die sich ständig weiterentwickeln. Letztlich sollte der lokale Mehrwert immer der entscheidende Faktor bei der Übertragung von bestehenden Ansätzen und Lösungen sein.
Schauen sie bald wieder vorbei, denn es erscheinen noch weitere Artikel zu URBACT Good Practices zu einem bestimmten Themencluster! In der Zwischenzeit können Sie in der URBACT Good Practices-Datenbank weiterstöbern und inspirierende Praktiken zu Themen wie gendergerechte Städte, Klimaschutz und vielen anderen Bereichen entdecken.
Möchten Sie die Personen, die hinter den Good Practices stehen, kennenlernen? Dann kommen Sie zum URBACT City Festival in Breslau (Wrocław, PL) vom 8. bis 10. April 2025. Vertreter:innen der 116 neu gekürten URBACT Good Practices werden in exklusiven Meet-and-Greet-Sessions vor Ort sein. Melden Sie sich jetzt an, um mehr über ihre Erfolgsgeschichten zu erfahren… und wie Sie diese in Ihrer Stadt umsetzen können!
Übrigens finden Sie die neuesten Erkenntnisse zur Mobilität für eine nachhaltige Stadtentwicklung auch im URBACT Mobility Knowledge Hub.
Die Übersetzung basiert auf einer Übersetzung des Artikels "Making your connection: 8 URBACT good practices for sustainable mobility" von Kai Paludan-Müller and Andreaa Tanase.