Das Potential von Pilotaktionen

Edited on 21/04/2023

Unlocking the potential of testing activities - Small Scale Actions SSA - COVER

Ein Mitglied einer lokalen URBACT-Arbeitsgruppe (Urbact Local Group) stellt während eines „ActiveCitizens“-Netzwerktreffens in Tartu in Estland eine Pilotaktion vor, die in der Stadt Hradec Kralove in Tschechien durchgeführt wurde.

„Small Scale Actions“ – Einblicke in die Pilotkationen der Aktionsplanungs-Netzwerke

Experimente sind der Schlüssel zum Wandel, weshalb URBACT ein neues Instrument für den Aktionsplanungs-Prozess eingeführt hat. In diesem Artikel stellen wir die positiven Auswirkungen der bisher durchgeführten Projekte der Aktionsplanungs-Netzwerke vor und gehen auf einige der Ergebnisse der jüngsten URBACT-Studie über die Rolle dieser Pilotaktionen ein – auch bekannt als „Small Scale Actions“.

Im Rahmen einer Teilnahme an einem Aktionsplanungs-Netzwerk wird von beteiligten Städten erwartet, dass sie lokale Strategien und Maßnahmen entwickeln, um auf eine lokale Herausforderung ihrer Stadt zu reagieren. Dazu werden die Partnerstädte ermutigt, einen partizipativen Ansatz zu verfolgen, und so verschiedene Personen zusammenzubringen und auf lokaler Ebene zusammenzuarbeiten. In diesen „URBACT Local Groups“ sind eine Reihe an unterschiedlichen Akteuren vertreten, z. B. kommunale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, lokale Behörden und andere öffentliche Einrichtungen wie Universitäten, aber auch Unternehmen und Bürger:innen. Der transnationale Austausch zwischen Partnerstädten sowie die unterstützende Beratung von Expert:innen bietet den lokalen URBACT-Arbeitsgruppen die optimale Rahmenbedingung zur Entwicklung Integrierter Handlungskonzepte.
 

Seit 2019 ist in den Prozess der Aktionsplanungs-Netzwerke ein neues Element hinzugekommen: lokale URBACT-Arbeitsgruppen haben nun die Möglichkeit, im Rahmen der sogenannten „Small Scale Actions“ neue Ideen auszutesten die verschiedenste Ansätze umfassen können. Mit den gesammelten Erfahrungen aus der Pilotphase wird es lokalen URBACT-Arbeitsgruppen ermöglicht, die Relevanz, Machbarkeit und den Mehrwert solcher Projekte in unterschiedlichen lokalen Kontexten zu evaluieren. Letztlich bieten diese Pilotaktionen eine Möglichkeit  herauszufinden, ob eine Idee kohärent und realistisch ist. Im Erfolgsfall kann die Maßnahme in künftigen Konzepten und dem integrierten Handlungskonzept berücksichtigt werden. Für die Umsetzung von „Small Scale Actions“ wurden Städte aus früheren URBACT-Netzwerken mit einem Budget von 10.000 Euro pro Partner gefördert.
 

Dieser Ansatz war ein Novum im URBACT-Programm.  Dementsprechend war zunächst ungewiss, ob Städte diese Gelegenheit nutzen und den Mehrwert solcher experimentellen Pilotaktionen sehen würden. Um die Erfolge und Fallstricke dieser Testaktivitäten zu bewerten, wurde Ende 2022 eine Studie in Auftrag gegeben. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.


 

Was bedeutet „small scale”?
 

Um diese Frage besser beantworten zu können, wurden Vertreter:innen von 23 Aktions-Planungs-Netzwerken (2019 - 2022) befragt. Zuerst wurde gefragt, ob das Konzept der „Small Scale Actions“ von den städtischen Partnern leicht verstanden wurde oder nicht. Die Antworten fielen recht unterschiedlich aus. Auf der einen Seite fühlten sich die Städte, die bereits Erfahrungen mit experimentellen Projekten gesammelt hatten, recht wohl und verstanden das Konzept auf Anhieb. Für viele andere Städte war das Konzept jedoch noch recht unscharf, was zum Teil an den von URBACT bereitgestellten Leitlinien lag. Da es keinen genauen Leitfaden gab, um zu erklären, was eine „Small Scale Action“ ist (und was nicht), entwickelten die Städte ihre eigenen Versionen und Interpretationen. „Wie definiert man 'small' in ‚Small Scale Actions‘? Das ist gar nicht so einfach!", kommentierte ein Leadpartner.
 

Erfahrungen aus der Vergangenheit wurden nicht dokumentiert und auch bei vergangenen „capacity building“-Veranstaltungen wurde nicht darauf eingegangen. Somit mussten sich die meisten Netzwerke selbst Klarheit verschaffen und sich oft auf die URBACT-Expert:innen verlassen. Der Austausch zwischen Lead Expert:innen aus verschiedenen Aktionsplanungs-Netzwerken hat sich als sehr fruchtbar erwiesen, denn hiermit wurden Diskussionen darüber ermöglicht, wie „Small Scale Actions“ besser eingeführt werden können. Die Flexibilität und der Spielraum für eigene Ideen ist genau das, was die Erfahrung für teilnehmende Netzwerke so interessant, reichhaltig und vielfältig machte. Dennoch bleibt die Frage offen, inwiefern die teilnehmenden Städte von den „Small Scale Actions“ Gebrauch machen werden. Zwar bieten diese eine gute Möglichkeit, Ideen für zukünftige Strategien zu testen, die Durchführung von Pilotaktionen ist jedoch nicht obligatorisch für die Entwicklung des Integrierten Handlungskonzeptes.


 

Kleine Maßnahmen, große Wirkung
 

Haben die Städte die Chance der „Small Scale Actions“ ergriffen? Zweifellos, ja. Die Studie ergab, dass alle 23 Aktionsplanungs-Netzwerke die Gelegenheit nutzten, um Aktivitäten durchzuführen. Insgesamt wurden 236 kleine Maßnahmen durchgeführt. Fast alle Städte haben mindestens einen Versuch unternommen, einige von ihnen drei, vier oder sogar fünf. „Unsere Partnerstädte waren von den ‘Small Scale Actions‘ so begeistert, dass sie viel Zeit und Energie investierten, um mehrere davon durchzuführen. Irgendwann mussten wir sie daran erinnern, dass das Hauptergebnis des Prozesses nicht die Pilotaktionen, sondern ihr integriertes Handlungskonzept sein sollte", sagte einer der Leadpartner in einem Interview.

Quote Scmall Scale Action

Der Enthusiasmus der Städte ist wenig überraschend. Die Aktivitäten wurden je nach dem spezifischen thematischen Schwerpunkt, den vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der beteiligten Personen sowie dem Vorhandensein anderer, bereits laufender Maßnahmen gestaltet. Auch wenn es schwierig sein mag, die „Small Scale Actions“ zu kategorisieren, stellen wir fest, dass die am häufigsten dokumentierten Formen von Aktivitäten Workshops und Veranstaltungen sind, gefolgt von Prototypen von Produkt-Service-Systemen und Umfragen oder Interviews. Viele dieser Aktivitäten dienten dazu, die Öffentlichkeit einzubinden und den Perspektiven und Meinungen von Bürger:innen Raum zu geben.
 

Die Partnerstädte haben eine Reihe von Methoden angewandt, um mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu treten. Die Partner des „ActiveCitizens“-Netzwerks in Dinslaken in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel organisierten eine Fotoexpedition mit Jugendlichen aus einkommensschwachen Stadtvierteln, um diese Gebiete zu erkunden, zu dokumentieren und zu evaluieren. Andere Beispiele umfassen die Einladung von Menschen mit Behinderungen zur Durchführung einer städtischen Nutzer:innen-Bewertung, um die Behindertenfreundlichkeit urbaner Infrastrukturen zu erfassen, wie in Druskininkai in Litauen, Partner des „Tourism Friendly Cities“-Netzwerks.
 

Die Pilotaktionen haben sich auch bei der gemeinsamen Entwicklung von Ideen bewährt. So organisierte die Stadt Modena in Italien vom Zero-Carbon-Cities-Netzwerk im Rahmen der internationalen Climathon Initiative einen Hackathon, bei dem Studierende innovative Ideen und Spin-off-Projekte für die geplante Sanierung des Industriegebiets Torrazzi entwickeln konnten. Ein weiteres Beispiel, welches sich mit der Prototypisierung neuer Dienstleistungen und Prozesse beschäftigt: in Heerlen in den Niederlanden hat der Leadpartner von SibDev ein „Rezept gegen Einsamkeit" erprobt. Ziel war es, Sozialtherapie als Medizin zu nutzen, um die Einsamkeit unter älteren Menschen zu bekämpfen und so „Nachbarschafts-Verbinder" zu entwickeln, die Patient:innen unterstützen sowie Begegnungen und soziales Zusammenkommen anregen.
 

Small Scale Actions

Darüber hinaus wurden diese Experimente genutzt, um neue Produkte und Räume zu testen. Beispielhaft dafür ist die Einrichtung eines temporären Ladens im Zentrum von Coimbra in Portugal mit dem regionale Produkte im Rahmen des „Food Corridors“-Netzwerks gefördert werden. Ebenso erwähnenswert ist die Schließung einer Straße im Stadtzentrum von Turku in Finnland, in der nun im Sinne der menschengerechten Stadt verschiedene Raumkonzepte getestet werden. Die zugrundeliegende Idee des Projekts geht einher mit einem der Kernziele des „Healthy Cities“-Netzwerks.


 

Ausprobieren ist wichtig
 

Insgesamt zeigt die Studie, dass „Small Scale Actions“ als sehr wertvolle Instrumente für Städte angesehen werden, um Maßnahmen voranzutreiben und Ideen in der Praxis auszutesten. Wie auch immer man sie nennen mag  – „Small Scale Actions“, Pilotaktionen, Prototypen –   die Projekte haben sich nicht nur als nützlich erwiesen, um zu evaluieren, ob Maßnahmen in das Integrierte Handlungskonzept einfließen sollen oder nicht. Sie haben sich auch als ein großartiges Instrument zur Förderung des Engagements und der Beteiligung der Mitglieder der lokalen URBACT-Arbeitsgruppen sowie anderer Stadtbewohner:innen bewiesen. „Jede und jeder machte mit und genoss diese Gelegenheit. Mit unserer lokalen URBACT-Arbeitsgruppe haben wir Dutzende von Ideen für kleine Pilotaktionen entwickelt! Wir haben unsere Gruppe sogar einige kleine Maßnahmen selbst durchführen lassen, weil sie so eifrig dabei waren", sagte ein Leadpartner.
 

Indem URBACT die Partner dazu anregte, Pilotaktionen auf lokaler Ebene durchzuführen, wurde es Städten ermöglicht flexibler, agiler und kreativer zu handeln. Vor dem Hintergrund der ständig wachsenden Zahl an Herausforderungen, denen sich die Städte jetzt und in Zukunft stellen müssen, ist dies mehr denn je erforderlich. „Die meisten kleinen Maßnahmen, die in unserem Netzwerk durchgeführt wurden, entwickelten sich zu langfristigen Aktivitäten in den Integrierten Handlungskonzepten der Städte", kommentierte ein Leadexperte, „das war ein klares Ziel für uns: etwas auszuprobieren, bevor es in einen Integrierten Handlungskonzept aufgenommen wurde". Ob im Rahmen eines Aktionsplanungs-Netzwerkes oder nicht, eines ist klar: Ja, Ausprobieren ist wichtig.

 

Zum Small-Scale-Actions-Katalog (auf Englisch)
 

Der Artikel basiert auf dem aus dem Englischen übersetzten Artikel „Unlocking the potential of testing activities“ von Selam Mebrahtu und Christophe Gouache. Übersetzung von Alexandra Heitplatz.

Submitted by Lilian Krischer on 30/03/2023
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Lilian Krischer

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