“URBACT – und Europa generell – leben vom Mitmachen”: Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) in Mannheim

Edited on 03/07/2024

Interview mit Christian Hübel von der Stadt Mannheim zum URBACT-Netzwerk „Cities for Sustainability Governance”

Porträt von Christian Hübel, Stadt Mannheim
Christian Hübel 
© Stadt Mannheim

Das URBACT-Aktionsplanungs-Netzwerk „Cities for Sustainability Governance” (CSG), an dem die Stadt Mannheim teilnimmt, will die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) auf die städtische Ebene bringen. Dies soll in Form von Governance-Prozessen geschehen. Diese umfassen die Entwicklung und Anwendung von Werkzeugen, Instrumenten und Prozessen sowie die Einbindung relevanter Akteure und Interessengruppen zur effektiven Steuerung und Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele. Bisher ist es keiner europäischen Stadt gelungen, die SDGs vollständig umzusetzen. Gründe sind z. B. das fehlende gemeinsame Verständnis einer nachhaltigen Entwicklung, kaum Möglichkeiten, die Gemeinschaft einzubinden, die Tatsache, dass sich Maßnahmen während des Umsetzungsprozesses ändern und das ursprüngliche Ziel nicht mehr erreichen (Transformationsverluste), oder zu wenig Kommunikation. Mannheim möchte deswegen lokal angepasste Governance-Prozesse und -Instrumente entwickeln. Lesen Sie im Interview mit Christian Hübel, Leitung Fachbereich Demokratie und Strategie der Stadt Mannheim, wie die Stadt diese Maßnahmen im URBACT-Netzwerk umsetzt und wie sie von der Netzwerkarbeit und dem europäischen Austausch profitieren. 

 

 

Was ist die Herausforderung von Mannheim im Netzwerk „Cities for Sustainability Governance”?
Wir wollen in dem Netzwerk untersuchen, wie man die Agenda 2030 und konkret die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) lokal besser umsetzen kann. Bisher wurden die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung unterschiedlich interpretiert oder gar als Add-On gesehen. Unser Ziel ist es, Mannheim zu einer nachhaltigeren Stadt – für uns – die Mannheimerinnen und Mannheimer -zu machen und damit aber auch einen Beitrag zu den SDGs zu leisten. Dabei sind uns die Governance-Prozesse, die der Umsetzung dienen, besonders wichtig. Wir möchten reflektieren, welche Auswirkungen unsere Maßnahmen haben. Dabei interessieren uns drei Ebenen: Zu allererst, wie setzen wir erfolgreich die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in Mannheim um. Zweitens: Was tun wir in Mannheim, was globale Auswirkungen hat (CO2-Emissionen oder Fair Trade). Drittens: Wie können wir anderen helfen, die 17 Ziele bei sich umzusetzen, beispielsweise durch praktische Hilfe bei bestimmten Projekten oder Know-How-Transfer beim Thema Governancestrukturen. 
 

Welche Maßnahmen werden dafür konkret im URBACT-Netzwerk umgesetzt? 

Wir möchten ein City-to-City-Learning als festes Tool der Stadtverwaltung etablieren. Die Idee ist, ein Verfahren zu entwickeln, um den Bedarf an schnellem Lernen zu bestimmten Themen zu ermitteln und Kollegen mit anderen Städten, die an ähnlichen Herausforderungen arbeiten, zusammenzubringen. Dies soll zu schnelleren Ergebnissen vor Ort führen. So soll die Stadt Mannheim künftig pro Jahr drei Probleme identifizieren, beispielsweise effektivere frühkindliche Bildung, schnell umsetzbare CO2-Einsparungen oder ganz „banal“, die schnelle Reparatur von Schlaglöchern. Daraufhin soll eine Austausch-Stadt gefunden werden, die dieses Problem schon gelöst hat. Nach zwei Online-Treffen mit der Austausch-Stadt, in denen evaluiert wird, ob man zusammen passt, soll ein Treffen in der jeweiligen Stadt stattfinden. Dieses Modell wollen wir im Anschluss unter die Fachleute bringen, beispielsweise beim World Urban Forum, und Städte so motivieren so etwas in ihren Verwaltungen einzuführen. Das City-to-City-Learning soll auch dazu dienen, zu zeigen, dass der europäische Austausch sinnvoll ist, da wir so auf nachhaltigere Lösungen kommen. Es gibt oft Kritiker die fragen: „Was machen die da? Wieso muss das europäisch sein? Das kostet nur Geld.“ Diesen Narrativen wollen wir entgegenwirken.

Der andere wichtige Punkt ist für uns, das Vertrauen der Bürger:innen zurückzugewinnen. Wie kann man die Maßnahmen der Stadtverwaltung für die SDGs so erklären, dass die Bürger:innen verstehen und nachvollziehen, dass wir dies für Mannheim und die Zukunft der Welt tun? Vor allem wollen wir aber das Vertrauen der Gesellschaft in Europa zurückbringen und den Mehrwert Europas verdeutlichen, da wir auch mit europäischen Partnern zusammenarbeiten. Dazu haben wir bei unserem letzten Netzwerktreffen in Mannheim einen Workshop zum Thema „Storytelling“ organisiert. Dabei haben wir einiges gelernt!

 

Das Thema der SDG ist sehr abstrakt, wie setzt ihr das auf der lokalen Ebene um?

 

Der ehemalige Bürgermeister Dr. Peter Kurz ließ in seiner Amtszeit ein Leitbild für die Lokalisierung der SDGs mit sieben strategischen Zielen für Mannheim erstellen. Es wurde in einem geförderten Prozess von eineinhalb Jahren mit Bürger:innenbeteiligung erarbeitet. Dabei wurde simpel angefangen, und erstmal die SDGs erklärt und erarbeitet, was das für Mannheim bedeutet. Also beispielsweise was ist Gendergerechtigkeit in Mannheim, was bedeutet das für uns? Dann wurde untersucht, in welchen Bereichen Mannheim schon gut ist und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Dieses Leitbild gilt als Vorgabe für die Stadtverwaltung und wurde in den Haushaltsplan aufgenommen. Das heißt, die SDGs sind in Mannheim nicht mehr abstrakt, sondern anhand dieses Leitbildes für Mannheim sehr konkret. 

 

Wie profitiert die Stadt Mannheim von der europäischen Zusammenarbeit?Logo des CSG-URBACT-Netzwerks

In erster Linie ist es hilfreich, die finanzielle Förderung zu erhalten. Ohne URBACT könnten wir uns nicht mit dem Thema der systemischen Governance zur Nachhaltigkeit beschäftigen, dafür hätten wir im Haushalt keine Mittel. Außerdem ist der Wissensaustausch mit anderen europäischen Städten sehr wichtig. So kann man sehen, wie sie Herausforderungen angehen, die wir auch haben. Daneben entstehen in solchen Netzwerken auch Freundschaften fürs Leben. Ich habe durch die europäische Arbeit viele Kontakte gewonnen, wo ich einfach mal anrufen kann, wenn ich was brauche, weil wir uns kennen. So können auch schneller neue Projekte entstehen, weil das Vertrauen schon da ist. Es gibt immer einen sehr positiven Spirit bei den europäischen Projekten, wie URBACT, man merkt, dass alle zusammen für Europa arbeiten. Durch den direkten Kontakt zu den Menschen in den verschiedenen Ländern und ihren Städten fallen außerdem sofort viele Stereotypen weg. Insgesamt wächst man selbst und die eigenen Kompetenzen erweitern sich durch die europäische Zusammenarbeit, man empowert sich und kann Dinge anders einschätzen. Neben den großen Herausforderungen der wirtschaftlichen Prosperität und der sozialen Kohäsion in Europa ist aktuell die größte Herausforderung die Sicherung der Demokratie in den europäischen Staaten. Dazu trägt die europäische Zusammenarbeit bei.

 

Was erwartet die Stadt Mannheim von der Projektteilnahme?

Vor allem erwarten wir uns den Wissensaustausch, um von Best-Practice-Lösungen zu lernen. Dabei interessiert uns in Bezug auf Governancestrukturen auch, wie man die Zivilgesellschaft und die Universitäten systemisch besser einbeziehen kann. Das heißt, wir untersuchen, wie man in Prozessen von vornherein einplanen kann, dass Akteur:innen eingebunden werden. Dadurch wollen wir das Vertrauen der Büger:innen in die lokale Verwaltung und Politik zurückgewinnen. Besonders wichtig ist es uns, Europa auf lokaler Ebene sichtbar zu machen. Gleichzeitig wollen wir gerne auch andere Städte bei ihren Governance-Strukturen unterstützen und erhoffen uns, dass einige Städte unseren Ansatz übertragen können, sodass in mehr Städten eine nachhaltige Transformation vorangetrieben wird.

 

Welche Empfehlungen können Sie anderen Städten für die Teilnahme an URBACT geben?

Ich empfehle vor allem zu machen, sich zu trauen und sich zu empowern. Das Lernen von anderen und das gegenseitige Verständnis ist immer ein Mehrwert. Nicht nur die Stadt profitiert von diesem Austausch, sondern auch die Stadt-Beziehungen Europas. URBACT, wie Europa, lebt vom Mitmachen. Wenn wir uns zurückziehen, dann überlassen wir anderen das Feld.

 

Aktuelles zum URBACT-Netzwerk „Cities for Sustainability Governance” (CSG) finden Sie hier auf der Netzwerk-Website und hier auf LinkedIn.

 

Submitted by Lilian Krischer on 01/07/2024
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Lilian Krischer

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